Evolution rückwärts – Zukunft Steinzeit?

Der Kurs der menschlichen Entwicklung

Externsteine Bad Meinberg-Horn, Holzbrücke über dem Abgrund
Extern­stei­ne Bad Mein­berg-Horn, Holz­brü­cke über Abgrund (Foto: San­dra Bar­bo­sa da Sil­va)

„Anfang des drit­ten Jahr­tau­sends n. Chr. war der moder­ne west­li­che Mensch so weit in der Evo­lu­ti­on vor­an­ge­schrit­ten, dass er ein beque­mes und siche­res Leben füh­ren konn­te.“ – So oder ähn­lich könn­te ein Kapi­tel im Geschichts­buch unse­rer Nach­fah­ren begin­nen.

„Er hat­te vie­le Tech­no­lo­gien und Kon­zep­te ent­wi­ckelt, die ihm das Leben stark ver­ein­fach­ten. Jeder ver­rich­te­te die Arbeit, die am bes­ten sei­nen Fähig­kei­ten ent­sprach, und so gab es Land­wir­te, Gemü­se­bau­ern, Bäcker, Händ­ler aller Art, Mau­rer, Ärz­te, um nur eini­ge zu nen­nen. Man teil­te sich ein­fach die Arbeit, und was man nicht selbst machen konn­te, ließ man ande­re gegen Bezah­lung erle­di­gen. Nie­mand muss­te mehr alles allein bewäl­ti­gen. Wenn man Nah­rungs­mit­tel brauch­te, ging man in ein Geschäft und kauf­te es sich ein­fach. Man muss­te sich nicht mehr vor wil­den Tie­ren fürch­ten – woll­te man ein Zuhau­se, kauf­te oder mie­te­te man eines. Hat­te man doch ein­mal mit jeman­dem Streit, sprach oder ver­han­del­te man fried­lich dar­über. Nie­mand muss­te mehr für die Befrie­di­gung sei­ner Grund­be­dürf­nis­se ande­ren etwas weg­neh­men, dis­kri­mi­nie­ren, brand­schat­zen, ver­ge­wal­ti­gen oder töten.“

Oder?

Wir alle wis­sen, dass Anfang des drit­ten Jahr­tau­sends nicht alles gut war. Kri­mi­na­li­tät war an der Tages­ord­nung, nicht jeder hat­te einen Job, mit dem er sei­ne Fami­lie ernäh­ren konn­te, gro­ße Unzu­frie­den­heit und vie­le Sor­gen lie­ßen die Men­schen ent­we­der in eine gefähr­li­che Lethar­gie oder aber in Aggres­si­vi­tät gegen ande­re ver­fal­len. Nicht alle Eltern konn­ten sich ver­nünf­tig um ihre Kin­der küm­mern – vie­le blie­ben den gan­zen Tag über sich selbst über­las­sen und genos­sen kaum Erziehung.

Man beschwerte sich über alles und unternahm nichts.

Ande­re wähn­ten sich kind­lich-naiv in einer Sicher­heit, die es so noch nie gege­ben hat­te. Sie schau­ten nicht über den Tel­ler­rand und konn­ten sich nicht vor­stel­len, dass es außer­halb ihrer siche­ren Bla­se auch ganz anders aus­se­hen konn­te. Vor allem die Jugend­li­chen und jun­gen Erwach­se­nen hat­ten vom wirk­li­chen Leben kaum eine Ahnung. Sie waren zu sehr in der digi­ta­len Welt ver­haf­tet und leb­ten in ver­meint­li­cher Sicherheit. 

Dann kam COVID-19.

Die­se Seu­che schränk­te die Men­schen von heu­te auf mor­gen in allen Lebens­be­rei­chen ein. Anfangs hat­ten alle nur Angst. Die­je­ni­gen, die nicht an der Krank­heit gestor­ben waren, dreh­ten nach wochen­lan­gem Haus­ar­rest durch. Sie fühl­ten sich in ihrer Frei­heit beschnit­ten und woll­ten ihr altes Leben wie­der­ha­ben – das Leben, das ihnen vor­her so zuwi­der gewor­den war. Aber das erlaub­te Coro­na nicht. Gna­den­los raff­te das Virus welt­weit unzäh­li­ge Men­schen dahin. Alles war anders und führ­te dazu, dass ver­steck­te Denk- und Ver­hal­tens­wei­sen wie­der zum Vor­schein kamen. Ras­sis­mus, Dis­kri­mi­nie­rung, Feind­se­lig­keit, aber auch naï­ve Unacht­sam­keit nah­men glo­bal wie­der Fahrt auf. 

Wozu sollte das alles dienen, wohin führen?

Die Ereig­nis­se dreh­ten sich immer schnel­ler. Wie Ato­me einer Mate­rie, die immer dich­ter wird, bevor sie ihre eige­nen Gren­zen sprengt. Irgend­wann wür­de die Welt platzen. 

Was bedeutet das für uns?

Dass es erst noch schlim­mer wer­den muss, bevor es wie­der bes­ser wer­den kann.

Der Mensch macht im Lau­fe sei­nes Daseins bekann­ter­ma­ßen meh­re­re Ent­wick­lungs­sta­di­en durch – Säug­ling, Klein­kind, Jugendliche/r, Erwachsene/r, Senior/in. Wir alle wis­sen, dass es vor jedem neu­en Ent­wick­lungs­schub ein wenig anstren­gend für alle Betei­lig­ten wird. Man macht zunächst einen Schritt zurück, bevor man mit zwei gro­ßen Sprün­gen das nächs­te Level erklimmt.
Kin­der wer­den wei­ner­li­cher, Jugend­li­che noch unver­ständ­li­cher, Erwach­se­ne durch­le­ben eine Mid­life Cri­sis, bevor sich dem Betref­fen­den ganz neue Wel­ten auf­tun.
Die Mensch­heit als Gan­zes unter­liegt den glei­chen Natur­ge­set­zen – das nen­nen wir Evo­lu­ti­on. Ganz offen­sicht­lich befin­den wir uns gera­de wie­der unmit­tel­bar vor einem sol­chen Ent­wick­lungs­sprung. Enorm muss er sein – bei dem Anlauf, den wir neh­men …Wir gehen so vie­le Schrit­te zurück, dass wir wie­der bei den Stam­mes­feh­den ange­kom­men sind. Noch einer, und wir sind zurück in der Stein­zeit ange­kom­men – und zie­hen uns wie­der gegen­sei­tig den Knüp­pel über den Schädel. 

Zugegeben:

So man­ches Mal wün­sche ich mich wie­der zurück in den Sand­kas­ten. Da wür­de ich dem unlieb­sa­men Mit­budd­ler bei Bedarf ein­fach mit der Schüp­pe eins über­zie­hen. Heu­te weiß ich, dass das nur sehr kurz­fris­tig Befrie­di­gung bringt, das Pro­blem aber kei­nes­falls aus der Welt schafft. Im Gegen­teil – durch Nichts­tun und Weg­schau­en wird es nur schlimmer.

Wir zün­den die Autos unse­rer Mit­men­schen an, bespu­cken und ver­prü­geln ande­re. Der moder­ne, kul­ti­vier­te Mensch ran­da­liert, dis­kri­mi­niert, brand­schatzt, miss­braucht und nimmt sich ein­fach, was er will. Unzäh­li­ge Din­ge könn­te man auf­zäh­len. Wenn unse­re Nach­fah­ren in 200 Jah­ren in den Geschichts­bü­chern blät­tern, wer­den sie sich beschämt fra­gen müs­sen, wie wir – ihre Vor­fah­ren – trotz allen Fort­schritts wie­der in tie­fe Dun­kel­heit fal­len konnten.

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Extern­stei­ne Bad Mein­berg-Horn, Holz­brü­cke über Abgrund (Foto: San­dra Bar­bo­sa da Silva) 

Noch besteht die Mög­lich­keit, dass wir das nächs­te Level gemein­sam schaf­fen – wir haben bereits mehr als aus­rei­chend Anlauf genom­men.

Es wird Zeit, dass wir sprin­gen – und zwar weit genug.


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